Zehn Personaltaktiken, von denen Sie sich heute noch verabschieden sollten

Die Arbeitstheorien des 20. Jahrhunderts haben viele Strategien hervorgebracht, die sich inzwischen als wenig effektiv herausgestellt haben. In englischsprachigen Ländern wurde hierfür schon lange vor Ausstrahlung der gleichnamigen Fernsehserie der Begriff „Mad Men Era“ geprägt – eine Zeit, die von kurzfristig denkenden, die Ellenbogen einsetzenden Workaholics geprägt war, die an Unternehmens-Darwinismus und das Gesetz des Stärkeren glaubten und diese Überzeugungen ungefiltert in ihr Managementideal übersetzten.

Diese Zeit scheint sich glücklicherweise dem Ende zuzuneigen. Nachhaltigkeit ist das neue Schlüsselwort – und damit ist keineswegs nur der schonende Umgang mit der Umwelt gemeint. In einem Punkt allerdings herrschen noch erstaunlich viele Relikte aus dieser untergehenden Arbeitswelt-Epoche: im Personal-Management – oder, um einen an sich schon etwas dubiosen Begriff aus eben diesem Kontext zu gebrauchen, bei den „Human Resources“.

Hier werden von Personalern und Teamleitern häufig immer noch Massstäbe gesetzt, die geradewegs aus den 1960ern stammen und mit moderner Arbeitspsychologie, Kreativ- und Motivationsforschung und dem Menschenbild des 21. Jahrhunderts wenig zu tun haben. Dieser Beitrag versammelt fünf destruktive Personal-Praktiken, die sich erstaunlich hartnäckig gehalten haben. Wenn Sie Talent gewinnen und halten wollen, sollten Sie Ihre HR-Best-Practices sorgfältig auf Spuren dieser anachronistischen Methoden scannen und sie dann so schnell wie möglich loswerden.

1. Vergleichende Mitarbeiterbeurteilungen

Immer noch werden Projekt-, Team- und Abteilungsleiter dazu angehalten, Mitarbeiter innerhalb eines direkten Vergleiches zu beurteilen oder schlimmer noch, nach einer Qualitätshierarchie zu ordnen. Oft geschieht dies hinter verschlossenen Türen als Evaluierungsmethode, manchmal aber auch ganz offen, um einen „gesunden Wettbewerb“ anzuregen. Diese Bewertung im Abgleich mit anderen statt aufgrund intrinsischer Ergebnisse und Qualitäten ist der Tod jeder Kooperation und unterminiert, was immer an Teamgeist existiert oder entwickelt werden soll.

Natürlich treten Mitarbeiter in Wettbewerb zueinander, wenn sie wissen, dass sie nur so als ausgezeichnet wahrgenommen werden. Aber die wenigsten tun es gerne, weil es das Arbeitsklima vergiftet, ihnen keine Zeit mehr für Reflexion bietet und Individualität abflachen lässt.

Ihre Alternative: Kommunizieren Sie im Mitarbeitergespräch deutlich, dass Sie Ihr Gegenüber als eigenständige Persönlichkeit mit inhärenten Qualitäten wahrnehmen und einstufen. Forcieren Sie Teambuilding-Massnahmen, die auf Kollaboration statt Wettbewerb ausgerichtet sind. Manchmal findet sich dieses Denken auch noch in den Köpfen älterer Arbeitnehmer, die dann das ganze Team damit anstacheln. Identifizieren Sie, von wem der Wettbewerb ausgeht, und weisen Sie explizit darauf hin, dass diese Praxis absolut nicht in Ihrem Sinne ist.

2. Schablonenhafte Leistungsbeurteilungen

Manche Personalabteilungen fordern vom Management nach wie vor, Teams und Abteilungen nach vorgegebenen Qualitätskriterien zu beurteilen, zu denen auch absolute Negativbeschreibungen gehören. Diese Schablone ist völlig wertlos, wenn es um intelligente HR-Praxis geht – vor allem, weil sie die Fähigkeiten von Vorgesetzten infrage stellt, das Beste aus jedem Mitarbeiter herauszuholen. Natürlich gibt es manchmal personelle Fehlentscheidungen. Diese schälen sich aber von selbst heraus. Wenn Sie von vornherein davon ausgehen, dass ein bestimmter Prozentsatz Ihrer Mitarbeiter seine Aufgaben mittelmässig bis miserabel erledigt, dann stimmt mit Ihrem Unternehmensklima etwas nicht.

Ihre Alternative: Werden Sie jede Form vorgefertigter Beurteilungskataloge einfach los. Lassen Sie Ihren Teamleitern stattdessen motivationspsychologische Fortbildungen angedeihen, die ihnen bei der Ursachendiagnose von unbefriedigender Performance helfen und sie anleiten, früh genug und präventiv entsprechende Mitarbeitergespräche zu führen.

3. Misstrauen gegenüber Abwesenheitsgründen

Sicher, es gibt Mitarbeiter, die sich morgens krankmelden und die Sie dann abends im Biergarten treffen. Ärztliche Atteste haben auch ihre Vorteile, die Frage ist allerdings, ob sie schon am ersten Tag vorliegen müssen. Ähnliches gilt in Sterbefällen. In überraschend vielen Unternehmen müssen Mitarbeiter mittels amtlicher Dokumente den Tod der Person nachweisen, für deren Beisetzung sie fehlen werden.

Ihre Alternative: Strategisch kann es besser sein, Mitarbeitern ein „kommuniziertes Vertrauen“ entgegenzubringen. Sagen Sie deutlich, dass ein gelegentlicher Tag Auszeit verständlich ist, wenn eine heranziehende Grippe droht, man deshalb aber nicht gleich zum Arzt gehen möchte. Erläutern Sie auch, dass Sie von der Attestpflicht für diese Fälle bewusst Abstand nehmen, weil Sie Ihren Mitarbeitern zutrauen, Ihre Arbeitskraft selbst einzuschätzen – dass dieses Vertrauen aber auch widergespiegelt werden muss, wenn es sich erhalten soll.

Verlangen Sie keine Sterbeurkunden. So viele sterbende Verwandten kann sich kein Mitarbeiter ausdenken, dass seine resultierenden Fehlzeiten Ihrem Unternehmen tatsächlich schaden könnten. Der Reputationsverlust aufgrund des bürokratischen Drucks auf einen trauernden Menschen ist unter Umständen wesentlich höher und spricht sich schnell herum. Gehen Sie eher auf den Trauernden zu, sprechen Sie Ihr Beileid aus und bieten Sie an, unter Umständen noch einen weiteren Tag Auszeit zu nehmen, um zu sich zu kommen.


Kleidungsvorschriften. (Bild: Syda Productions / Shutterstock.com)
Kleidungsvorschriften. (Bild: Syda Productions / Shutterstock.com)


4. Kleidungsvorschriften

Damit sind nicht in der CI Ihres Unternehmens gebrandete Uniformen gemeint, wenn Sie in der Gastronomie oder anderen Dienstleistungssektoren arbeiten. Für Büro und Kundentreffen jedoch sollten Ihre Mitarbeiter selbst entscheiden, was sie anziehen – ohne Vorgaben hinsichtlich der Farbwahl, Rocklänge, Krawatte oder Anzug, Absatzhöhe etc. Sie legen Wert auf eigenverantwortliche, intelligente, autonom denkende Mitarbeiter? Wunderbar – aber dann stellen Sie diese Fähigkeiten nicht mit einem formalisierten Dresscode infrage.

Ihre Alternative: Natürlich gibt es Bekleidungsvorlieben, die gerade auf prospektive Neukunden oder Geschäftspartner einen eher seltsamen Eindruck machen könnten. Sollte ein Mitarbeiter tatsächlich jede Intuition für angemessene Outfits missen lassen, dann klären Sie dies 1on1. Reden alleine hilft hier nur dann, wenn es um benennbare Details wie etwa die Ausschnittweite geht. Ansonsten diskutieren Sie über den Geschmack eines Menschen, und der ist bekanntlich nicht verhandelbar.

Stellen Sie stattdessen eine kleine Vorher-nachher-Galerie aus Stockfotos zusammen, um Ihre Veränderungswünsche hinsichtlich Kleidung und gegebenenfalls Make-up zu illustrieren. Machen Sie gleichzeitig deutlich, dass Sie diese Vorschläge eben deshalb machen, weil die äussere Form auch die offensichtlich vorhandenen inneren Qualitäten des Mitarbeiters für jeden sichtbar spiegeln sollte.

5. Disziplinierungsmassnahmen

Diese an schulischer Pädagogik aus dem 19. Jahrhundert ausgerichtete Praxis ist selten geworden – aber noch nicht ausgestorben. Die für notwendig erachtete „Disziplin“ wird etwa durch eine gestaffelte Eskalation umgesetzt, in der Mitarbeiter ähnlich wie auf dem Fussballfeld erst zweimal mündlich, dann schriftlich gemahnt und schliesslich gekündigt werden. Ähnlich sind Essensverbote am Schreibtisch einzustufen – obwohl längst nachgewiesen ist, dass gesunde Snacks die Konzentrationsfähigkeit verbessern.

Zu dieser grundsätzlichen Einstellung der Bevormundung „zum eigenen Besten“ gibt es nicht mal eine Alternative – sie sollte sofort verbannt werden. Ihre Mitarbeiter sind keine Kinder, die noch erziehbar wären. Entweder sie identifizieren sich mit ihren Aufgaben und dem Unternehmen, oder sie sind tatsächlich besser an anderer Stelle aufgehoben. Diese Frage allerdings lässt sich in klärenden, offenen Gesprächen exzellent herausarbeiten, ohne dass über der ganzen Firma das Damoklesschwert absurder erzieherischer Massnahmen hängen müsste.

 

Oberstes Bild: © Dr. Cloud – Shutterstock.com

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Mehr zu Caroline Brunner

Caroline Brunner ist freiberufliche Online-Journalistin mit Fokus auf Arbeitspsychologie, Entrepreneurship, Kommunikation, Karriereplanung, Nachhaltigkeit und Verbraucherthemen.

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