Letze Chance für Zalando?

Um den Börsengang des deutschen Modehändlers Zalando gibt es seit Monaten Spekulationen. Das Unternehmen selbst hält sich bisher bedeckt. Trotzdem gibt es Anzeichen dafür, dass dieser Plan inzwischen sehr konkret ist.

Offenbar hat das Berliner Start-up inzwischen Investmentbanken beauftragt. Zum Konsortialkreis soll die Schweizer Grossbank Credit Suisse gehören, auch Goldman Sachs und Morgan Stanley sind in dieser Hinsicht im Gespräch.

Für Zalando könnte der Börsengang die letzte Chance sein. Experten haben zudem ihre Zweifel, ob das Börsenabenteuer tatsächlich ein Erfolg wird. Gleichzeitig liefert Zalando jedoch auch ein Lehrstück, wie die Marktkapitalisierung an der Börse allein durch geschickten Markenaufbau realistisch wird.

Eindrucksvolle Wachstums-Story und tiefrote Zahlen

Eine eindrucksvolle Wachstumsgeschichte hat Zalando durchaus vorzuweisen. Begonnen hat sie 2008 in einem Keller in Berlin. 2013 konnte das Unternehmen seinen Umsatz um 52 % auf rund 1,8 Milliarden Euro (knapp 2,2 Milliarden Franken) steigern, in den beiden vorangegangenen Jahren hatten sich seine Erlöse mindestens verdoppelt. Trotzdem steckt Zalando mit einem aktuellen Minus von rund 118 Millionen Euro (144 Millionen Franken) tief in den roten Zahlen.

In seinem Kernmarkt – Deutschland, Österreich und der Schweiz – hat das Unternehmen zwar auch 2013 die Gewinnschwelle erreicht, in den anderen zwölf Zalando-Märkten fährt es bisher jedoch nur Verluste ein. Ob sich im ersten Quartal 2014 etwas geändert hat, wird Zalando Ende dieser Woche publizieren. Bisher kompensieren leistungsstarke und zahlungswillige Investoren die Verluste. Allein die schwedische Beteiligungsgesellschaft Kinnevik hat im letzten Jahr rund 100 Millionen Euro (122 Millionen Franken) in die Firma investiert; zuletzt haben die Kinnevik-Controller einen Wert von 3,9 Milliarden Euro (4,75 Milliarden Franken) zugemessen.


Markenbekanntheit: gleichauf mit Coca-Cola. (Bild: Jon Le-Bon / Shutterstock.com)
Markenbekanntheit: gleichauf mit Coca-Cola. (Bild: Jon Le-Bon / Shutterstock.com)


Markenbekanntheit: gleichauf mit Coca-Cola

Der Düsseldorfer Unternehmensberater Patrick Palombo liefert vor dem Hintergrund des geplanten Börsengangs eine recht spannende Statusanalyse von Zalando. Aus seiner Sicht haben Zalando und die diversen Gesellschafter den fiktiven Börsenwert des Unternehmens durch das Schaffen von Markenwerten systematisch hochgeschraubt. Die Marke Zalando hat heute einen Bekanntheitsgrad, der dem von Coca-Cola gleichkommt. Allerdings sei dieser auch der einzige fassbare Wert des Start-ups. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive müsse Zalando dagegen noch beweisen, dass die Richtung stimmt.

Strikte Fokussierung auf das Markenimage

Offenbar hat sich Zalando von Anfang an vor allem auf die Kapitalisierung seiner Marke fokussiert und dafür immense Summen ausgegeben. Dabei ging es primär um Imagewerbung, Produktwerbung spielt für Zalando, wenn überhaupt, nur eine äusserst marginale Rolle. Palombo hebt hervor, dass eine solche Relation immer ein Indiz dafür sei, dass der Markenwert wichtiger genommen werde, als den Break-even zu erreichen oder Gewinne zu erzielen. Kapitalisierungsmöglichkeiten ergeben sich entweder durch den Verkauf der Firma – im Fall von Zalando beispielsweise an Amazon oder einen anderen strategisch relevanten Händler – oder durch einen Börsengang, also den Weg, für den sich Zalando jetzt offenbar entschieden hat.

Der Beweis der Wirtschaftlichkeit steht aus

Palombo hält es für nicht unwahrscheinlich, dass sich Zalando im Vorfeld mit dem Finden eines Käufers schwertat. Operativ tätige Käufer oder Investoren interessieren sich vor allem für eine gesunde Bilanz, also die wirtschaftliche Substanz des Unternehmens und die Möglichkeit, mit ihrer Neuerwerbung in absehbarer Zeit Gewinn zu machen. Andererseits hat der Online-Händler durch die Fokussierung auf den Markenwert ein solches Performance-Ziel offensichtlich mit Absicht nicht verfolgt.

Spannend ist in diesem Kontext auch der Hintergrund Zalandos: Hinter den Gründern David Schneider und Robert Gentz standen von Anfang an die drei Investoren-Brüder Samwer, die dafür bekannt sind, „geklonte“ Investitionsprojekte kurzfristig aufzublähen und dann gewinnbringend zu verkaufen. Ihr bislang längstes Projekt ist Zalando.

Welche Alleinstellungsmerkmale hat Zalando?

Die einzige – und damit letzte – Chance Zalandos ist auch bei einem Börsengang sein Markenwert. Patrick Palombo sieht diesen – anders als die Investitionsgesellschaft Kinnevik – im „gut siebenstelligen“ Bereich. Ob die Anleger ihn tatsächlich honorieren werden, ist eine völlig offene Frage. Palombo selbst sieht für Zalando keinen USP: Unternehmen wie Facebook oder Twitter, die bei ihrem Börsengang ebenfalls vor allem auf den Faktor „Marke“ setzten, wiesen überproportionale Marktanteile auf.

Bei Zalando sind jedoch bei keinem marktrelevanten Aspekt echte Alleinstellungsmerkmale gegeben. Letztlich zählen – in den Worten Palombos – im Handel ausschliesslich „Sortiment und Service“. Einzigartig ist Zalando in keiner dieser Dimensionen.

Reichen Start-up-Credibility, Marke und Strategie für einen erfolgreichen Börsengang?

Eine komplette Bilanz hat Zalando bisher nicht veröffentlicht – was völlig korrekt ist, da es als nicht börsennotiertes Unternehmen dazu nicht verpflichtet ist. An der Börse ist künftig jedoch Transparenz gefragt – potenzielle Investoren möchten Details über den Status des Unternehmens und über seine Perspektiven wissen. Auch die roten Zahlen sprechen nicht automatisch gegen einen Börsengang. Ein Unternehmen wie Zalando verfügt über Start-up-Credibility. Wenn eine gute Strategie hinzukommt, könnte diese Kombination für die Anleger überzeugend sein.

Spannend wird, ob Zalando auch diese Überzeugungskraft mit an die Börse bringt. Wenn dem Berliner Unternehmen dies gelingt, hat es – möglicherweise – Aufstiegschancen. Einmal abgesehen von den Interessen der Samwers und anderer Investoren: Die Ambitionen von Zalando waren von Anfang an recht deutlich zu erkennen. Ein Berliner Garagen- respektive Keller-Shop, der es perspektivisch in dieselbe Liga wie Amazon und andere globale Player schafft, wäre trotz aller Unwägbarkeiten und Verzerrungen auch ein faszinierender Gedanke.

 

Oberstes Bild: © 360b – Shutterstock.com

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