G7-Staaten wollen Energie-Allianz für mehr Unabhängigkeit von Russland

Die Krise in der Ukraine ist nicht nur eine politische. Sie wirft auch Fragen nach einer gesicherten Energieversorgung in Europa auf, denn viele Staaten sind abhängig von den Gaslieferungen aus Russland. Anfang der Woche kamen die Energieminister der G7 in Rom zu einem Sondertreffen zusammen und vereinbarten einen 13-Punkte-Plan.

Die G7-Staaten – Deutschland, Frankreich, Italien, Grossbritannien, Japan, Kanada und USA – wollen die Abhängigkeit mit mehr Flüssiggas-Importen, mehr Pipelines und neuen Gasspeichern verringern. Allen Beteiligten ist allerdings klar, dass Änderungen nur mittel- und langfristig wirksam werden können. Die USA beispielsweise werden frühestens um 2020 in der Lage sein, ihre Exporte von Flüssiggas auszubauen. Im Hinblick auf die aktuelle Krise zwischen Russland und den anderen Wirtschaftsmächten wegen der Vorgänge in der Ukraine wird es keine schnelle Lösung der Versorgungsprobleme geben.

Es geht aber nicht nur um die gesicherte Versorgung für Europa. Auch für die Ukraine soll es Notfallpläne geben, falls Russland seinem Nachbarn den Gashahn zudreht. Deutschlands Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel schlug als politische Initiative abseits von einer Diversifizierung der Energieversorgung eine Art Energie-KSZE vor – wohlgemerkt mit Beteiligung Russlands. Er bezog sich dabei auf die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die in der „Blütezeit“ des Kalten Krieges trotz aller Gegensätze zu einer Einigung geführt habe. Damals war mit der sogenannten Helsinki-Schlussakte eine Vereinbarung über die Achtung von Völkerrecht und bestehenden Grenzen getroffen worden.

Weiter forderte Gabriel, dass Europa sich politisch darüber verständige, wie die Energiemärkte funktionieren sollen. Es dürfe vor allem nicht dazu kommen, dass Im- und Exporte von Energie als wirtschaftliche und politische Waffe genutzt würden – weder in Europa noch weltweit.

Das Treffen in Rom dient dazu, den G7-Gipfel Anfang Juni in Brüssel vorzubereiten. Deutschland, das als einziges Land den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen hat, fordert eine stärkere Fokussierung auf erneuerbare Energien und eine höhere Effizienz, damit zum Beispiel weniger Gas beim Heizen verbraucht wird. Insgesamt empfehlen die G7-Minister einen diversifizierten Energiemix, einen verstärkten Ausbau der Infrastruktur für den Öl- und Gastransport sowie eine Lösung bzw. Unterstützung für die osteuropäischen Staaten, die zum Teil zu 100 Prozent von russischem Gas abhängig sind.

Ob, und wenn ja, welche Vorschläge verwirklicht werden, entscheidet erst der G7-Gipfel. Das Treffen in Rom soll aber ein deutliches Signal an Russland sein: Wir können auch anders! Wir wappnen uns gegen alle Eventualitäten und stehen eng zusammen. Dazu passt auch, dass der Gipfel ohne Russland stattfindet. Ursprünglich wollten sich die führenden Industrienationen als G8 in Sotschi treffen – mit Russland. Wegen der Krise in der Ukraine wurde Wladimir Putin allerdings ausgeladen und das Spitzentreffen in die belgische Hauptstadt verlegt.

So ganz hundertprozentig ist die Einigkeit in der Siebenerrunde allerdings nicht. Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, ob der hochsensible Bereich gegenwärtiger Energieversorgung gegen Russland ausgespielt werden sollte oder nicht. Damit würde Energiepolitik als Druckmittel eingesetzt, was der deutsche Minister bereits zurückgewiesen hat. Gabriel lehnt Sanktionen gegen Russland im Gassektor ab und betont, man dürfe die Ukraine-Krise nicht mit der Energiefrage in einen Topf werfen. Zudem diene das Treffen in Rom nicht der Lösung des Konflikts mit Russland, schliesslich seien die Energieminister keine „Ersatzaussenminister“.


G7-Staaten. (Bild: Mrnett1974 / wikimedia.org)
G7-Staaten. (Bild: Mrnett1974 / wikimedia.org)


Aber die Angst vor Engpässen wächst mit jedem Tag, an dem keine Verständigung mit Putin in Sicht ist. Manche Mitglieder aus dem G7-Kreis wollen einen schnellen Plan B. Dahinter stecken auch massive wirtschaftliche Interessen, denn das Geschäft mit Gas ist überaus lukrativ. Die USA und Kanada würden gerne im europäischen Markt mitmischen. Grossbritannien fordert, dass jede Option auf den Verhandlungstisch kommt, sei es Fracking oder Atomkraft. Deutschland lehnt eine allgemeine Förderung der Atomenergie durch die G7-Staaten allerdings vehement ab.

Kanadas Energieminister Greg Rickford erklärte, sein Land sei bereit und in der Lage, Gas nach Europa zu liefern und eine zuverlässige Versorgung zu gewährleisten. Das Land ist weltweit der fünftgrösste Produzent. Flüssiggas war eins der Zauberworte beim Treffen in Rom. Dafür müssten aber spezielle Anlagen errichtet werden, wie es gerade in Litauen geschieht. Der Baltenstaat baut für mehr als 200 Millionen Euro ein schwimmendes Terminal in der Grössenordnung eines Flugzeugträgers, um für Flüssiggasimporte gerüstet zu sein – mit dem bezeichnenden Namen „Unabhängigkeit“.

Ein europaweiter Aufbau solch einer Infrastruktur würde Investitionen in Höhe von mehreren Milliarden Euro verschlingen und die Preise nach oben treiben. Umstritten ist auch die Gasförderung mittels Fracking. Während etwa die USA in dieser Technik weit fortgeschritten ist und grosse Mengen fördert, stösst das Verfahren bei Umweltschützern in Deutschland auf massiven Widerstand.

 

Oberstes Bild: ©  ssuaphotos – Shutterstock.com

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Mehr zu Ulrich Beck

hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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