Wie Volkswagen zeigt, dass Unternehmenswachstum keine oberste Priorität geniessen muss

Als Automobilhersteller ist Volkswagen ein Vorbild: Das deutsche Unternehmen übertrifft seit der Übernahme der Konzernführung durch Martin Winterkorn die Erwartungen deutlich und sendet damit Signale auf einen Markt, der derzeit noch von einem japanischen Konzern regiert wird.

Seiner Zeit voraus

VW plant, wie alle anderen Unternehmen auch, auf Jahre im Voraus. So hatte das Unternehmen unter anderem für 2018 ein ursprünglich ehrgeiziges Ziel festgelegt: Zehn Millionen Fahrzeuge sollten in diesem Jahr erstmals verkauft und damit eine magische (wenngleich künstlich festgelegte) Grenze geknackt werden.

In diesem Fall ist es ein grosses Glück für Volkswagen, dass es wahrscheinlich doch anders kommen wird. 9,73 Millionen Autos aller Klassen hat das Unternehmen aus Wolfsburg bereits 2013 verkauft. Für 2014 wäre also nur ein vergleichsweise kleines Wachstum von etwa 3 % notwendig, um das selbstgesteckte Ziel bereits vier Jahre vor dem Ablaufdatum zu erreichen. Die Zeichen dafür stehen gut: In den ersten beiden Monaten des neuen Jahres konnte bereits ein Wachstum von 4,7 % verzeichnet werden.

Damit liegt Volkswagen auf Erfolgskurs, so dass die zehn Millionen Fahrzeuge im Jahr 2014 sehr realistisch erscheinen. Ausschlaggebend dürfte dabei vor allem ein uns allen bekanntes Wachstumsland sein.

Verkäufe im fernen Osten

Der am schnellsten wachsende Absatzmarkt für Volkswagen – und zahlreiche andere Unternehmen auf der Welt – ist auch in diesem Jahr China. Trotz aller Unkenrufe, welche unter anderem eine Immobilienblase im bevölkerungsreichsten Land der Erde sowie eine kommende Finanzkrise voraussagen, werden wohl auch dieses Jahr die Chinesen für die meisten verkauften Fahrzeuge verantwortlich sein.

Im letzten Jahr erwirtschaftete der Konzern dort bereits 5,2 Milliarden Schweizer Franken. Während diese Zahl allein nicht unbedingt gigantisch erscheint, erhält sie durch eine prozentuale Sicht der Dinge einen anderen Beigeschmack: So wurden im letzten Jahr 17 % mehr Fahrzeuge verkauft als noch im Jahr 2012.

Für VW gibt es derzeit keinen Anlass, an einem im Jahr 2014 ähnlich ausfallenden, kontinuierlichen Wachstum zu zweifeln. Zum Vergleich: Der gesamte Rest der Welt – welche ebenfalls wachsende Länder wie etwa Brasilien oder Indien beinhaltet – zahlte 14,18 Milliarden Schweizer Franken an den Automobilhersteller. China allein ist also für rund ein Drittel des Umsatzes verantwortlich.

Ein Land der Chancen – und Einschränkungen

Dass China seit langer Zeit ein Land anhaltenden Wachstums ist, dürfte natürlich niemanden überraschen. Für Volkswagen – und alle anderen Automobilhersteller – ist es jedoch nicht einfach, dort Fuss zu fassen. Der Verkauf von Fahrzeugen unterliegt teilweise strengen Auflagen: Beispielsweise müssen Autos direkt vor Ort gebaut und verkauft werden, wozu Verträge mit den lokalen Partnern in China notwendig werden. Ein „einfaches“ Zusammensetzen und Exportieren in den Rest der Welt ist dort also nicht möglich.

Um diese Einschränkungen zu umschiffen, geht Martin Winterkorn in die Offensive: Für 2014 und 2015 sollen mehr als 100 Modelle sowie andere Varianten existierender Fahrzeuge und Aufwertungen bereits bestehender Produkte geplant sein. Die Auslieferungen nach China (und den Rest der Welt) sollen damit gesteigert werden. Es ist also abzusehen, dass Volkswagen demnächst zum wohl grössten Automobilhersteller der Welt aufsteigen wird – oder?


Die Auslieferungen nach China (und den Rest der Welt) sollen damit gesteigert werden. (Bild: donvictorio / Shutterstock.com)


Toyota als grosses Ziel?

Die Japaner von Toyota dominieren bislang den Weltmarkt. Noch vor Jahren galt es als erklärtes Ziel von VW, Toyota in absehbarer Zukunft als grössten Hersteller ablösen zu wollen. Winterkorn und der Rest der Unternehmensführung haben nun aber beschlossen, dass diese Zielsetzung und Strategie offenbar nicht mehr zeitgemäss ist.

2018 sollte der japanische Konzern überholt werden – inzwischen aber ist man von diesem Ziel abgewichen. Es scheint, in einem gewissen Rahmen, nicht mehr notwendig zu sein, ein anderes Unternehmen unbedingt zu übertreffen. Stattdessen kündigte man einen neuen Fokus auf Qualität an. Absatzmarken und Zielsetzungen? Fehlanzeige. Je mehr Autos verkauft werden, desto besser. Ob es dabei für die Weltmarktführung reicht oder nicht, scheint nicht mehr von primärer Relevanz zu sein.

Den Kunden im Blick

Für die Käufer von Volkswagen-Modellen ist das natürlich ein grosser Pluspunkt. Wo Qualität im Vordergrund steht – und diese zu angemessenen Preisen verkauft wird -, profitiert in der Regel auch der Kunde. Erstaunlich ist die Qualitätsoffensive dennoch, denn schliesslich gelten Volkswagen-Automobile ohnehin als qualitativ hochwertig.

Andere Hersteller hätten diese Neuausrichtung eher nötig. Interessanterweise ist es übrigens gerade diese Strategie, welche zum erhofften Plus an Verkäufen führen dürfte – denn kein Kunde dürfte sich angesichts einer erhöhten Verarbeitungsgüte von einem Konzern abwenden.

Vergoldete Leistung

Für die zweifelsohne vorhandenen Leistungen erhält der Vorstand von VW allerdings auch eine grosszügige Entlohnung: Winterkorn allein erhielt im letzten Jahr 18,2 Millionen Schweizer Franken für seine Dienste, auf den Rest der acht Vorstandsmitglieder entfielen noch einmal 59,5 Millionen Schweizer Franken. 2012 waren es noch 13 % weniger.

Masslos erscheint die Vergütung dennoch nicht: Neben dem Grundgehalt werden zwei weitere Gehälter gezahlt, welche jedoch vom Erfolg oder Misserfolg des Konzerns abhängen. Bonuszahlungen, die es völlig unabhängig vom wirtschaftlichen Gelingen gibt, werden dem Vorstand seit 2012 nicht mehr zugesprochen. Letztendlich scheint eine motivierende Wirkung angesichts der Erfolgsjahre 2013 und 2014 durchaus von dieser Änderung ausgegangen zu sein. Es zählt eben die Qualität und nicht die Quantität.

 

Oberstes Bild: © 360b / Shutterstock.com

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